Haftung für Schäden durch autonome Fahrzeuge – wer ist rechtlich verantwortlich?
21 Juli 2025 / Nachricht
Autonome Fahrzeuge sind eine der revolutionärsten Technologien in der Automobilbranche, die sowohl Begeisterung als auch rechtliche Bedenken hervorruft. Eine der wichtigsten Fragen, die Experten und Gesetzgeber stellen, ist die Frage nach der Haftung für Schäden, die durch diese modernen Transportmittel verursacht werden. Obwohl die Entwicklung autonomer Fahrzeuge eine Verbesserung der Verkehrssicherheit verspricht, sind rechtliche Herausforderungen hinsichtlich der Klärung der Haftung bei Unfällen unvermeidlich. Sind die bisherigen polnischen Vorschriften und Haftungsregeln im Kontext der neuen Technologien ausreichend? In diesem Artikel analysieren wir, wie sich die geltenden Vorschriften auf die Regeln für die Wiedergutmachung von Schäden durch autonome Fahrzeuge beziehen und welche Änderungen erforderlich sein könnten, um einen angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Schutz im Zeitalter digitaler Innovationen im Verkehr zu gewährleisten.
Zivilrechtliche Haftung des Fahrzeughalters – Risikoprinzip und autonome Fahrzeuge
In Polen ist die Haftung für Verkehrsunfälle in Art. 436 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt, der eine Haftung nach dem Grundsatz des Risikos vorsieht. Das bedeutet, dass der Halter eines mechanischen Verkehrsmittels unabhängig von seinem Verschulden für verursachte Schäden haftet. Grundsätzlich kann also auch bei einem autonomen Fahrzeug dessen Halter als Haftpflichtiger angesehen werden.
Ist dieser Grundsatz im Zusammenhang mit Fahrzeugen, die ohne menschliches Zutun funktionieren, ausreichend? Einerseits ja. Diese Fahrzeuge stellen nach wie vor eine Gefahr im Straßenverkehr dar, schon allein aufgrund ihres Gewichts, ihrer Geschwindigkeit oder der Möglichkeit eines Systemausfalls. Andererseits ist die Beteiligung des Menschen an ihrer Nutzung minimal, was die Gerechtigkeit der direkten Zuweisung der Haftung an den Nutzer oder Eigentümer in Frage stellt.
Es ist auch anzumerken, dass die Statistiken zu Verkehrsunfällen in Polen zeigen, dass die Hauptursache für Verkehrsunfälle nach wie vor der Faktor Mensch ist (91 % der Unfälle im Jahr 2023. Zum Vergleich: Unfälle aufgrund technischer Defekte und anderer, nicht vom Menschen verschuldeter Ursachen machten nur 2,5 % aus [1]). Bei autonomen Fahrzeugen besteht jedoch weiterhin das Risiko von Algorithmusfehlern, Komponentenausfällen, Verbindungsproblemen sowie Verstößen gegen die Cybersicherheit, was zu Situationen führen kann, in denen Unfälle nicht vermieden werden können. Autonome Technologien beseitigen also das Risiko nicht vollständig, und die Fahrzeuge selbst stellen nach wie vor eine Gefahr dar, schon allein aufgrund ihres Gewichts und ihrer Geschwindigkeit.
Haftungsausschluss des Besitzers und Rolle höherer Gewalt
Es stellt sich die Frage nach der Angemessenheit von Haftungsausschlussklauseln im Zusammenhang mit autonomen Verkehrsmitteln. Traditionell konnte höhere Gewalt als Grund für einen Haftungsausschluss geltend gemacht werden. Bei modernen Fahrzeugen, die mit der Infrastruktur kommunizieren und außergewöhnliche Ereignisse erkennen können, kann die Anwendung dieser Ausnahme eingeschränkt sein. Darüber hinaus werden technische Defekte in der Regel nicht als höhere Gewalt anerkannt, und das Risiko ihres Eintretens trägt der Fahrzeughalter.
Fahrerhaftung und Autonomisierungsgrad des Fahrzeugs
Im polnischen Recht gibt es einen Sonderfall der Haftung für Verkehrsunfälle, der in Art. 436 § 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist. Es handelt sich dabei um eine Abweichung von der Gefährdungshaftung, die den Grundsatz der Verschuldenshaftung bei Fahrzeugkollisionen (dies gilt nur für gegenseitige Ansprüche der Halter) oder bei der sogenannten Gefälligkeitsbeförderung einführt. Diese Lösung wirft erhebliche rechtliche Zweifel auf, insbesondere im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen.
Autonome Fahrzeuge mit einem hohen Grad an Autonomie sind so konstruiert, dass der Nutzer die Kontrolle über das Fahrzeug nicht übernehmen kann. Dies schließt die Zuweisung der Haftung für Fahrfehler oder die Auferlegung von Pflichten aus, die später im Rahmen der geltenden Straßenverkehrsordnung als Verschulden angesehen werden könnten. Solche Fälle können dazu führen, dass keine Schuld zugewiesen werden kann, da es schwierig ist, transparente und faire Kriterien für die Bewertung des Verhaltens eines Fahrzeuginsassen zu schaffen. Im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen können nur extreme Fälle, wie z. B. vorsätzliche Beschädigung des Fahrzeugs, eine Ausnahme bilden.
Ein Problem entsteht auch in Situationen, in denen autonome Fahrzeuge in Notfällen vom Nutzer übernommen werden müssen. Dies kann zu Unklarheiten hinsichtlich der Pflichten der im Fahrzeug befindlichen Person und ihrer Rolle als „vorübergehender” Fahrer führen. In der Praxis könnte die Haftung für Schäden, die durch autonome Fahrzeuge verursacht werden, nur in recht engen Fällen zugewiesen werden, z. B. wenn der Nutzer die Kontrolle nicht rechtzeitig übernommen hat.
Darüber hinaus kann die derzeitige Rechtslage bei Kollisionen zwischen herkömmlichen und autonomen Fahrzeugen zu ungerechten Konsequenzen führen. Die Haftung des Besitzers eines herkömmlichen Fahrzeugs ist leichter nachzuweisen und durchzusetzen, was für Ansprüche gegen den Besitzer eines autonomen Fahrzeugs nicht gilt. In solchen Fällen werden alternative Lösungen vorgeschlagen, wie z. B. die Zuweisung der Haftung an den Besitzer des autonomen Fahrzeugs unabhängig von seinem Verschulden als Ausnahme.
Haftung des Herstellers für autonome Fahrzeuge als gefährliche Produkte
Schließlich kann die Haftung des Herstellers für gefährliche Produkte im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen analysiert werden. Gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch, der Richtlinie 85/374/EWG und der neu verabschiedeten, aber noch nicht umgesetzten PLD-Richtlinie (2024/2853) basiert die Haftung des Herstellers auf dem Risikoprinzip, was bedeutet, dass der Hersteller unabhängig von seinem Verschulden für Schäden haftet. Diese Haftung kann auch andere an der Herstellung oder dem Vertrieb von Fahrzeugen beteiligte Akteure wie Materialhersteller oder Importeure umfassen (die neuen Vorschriften erweitern diesen Katalog).
Im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen bedeutet dies, dass die Haftung für Schäden auf deren Hersteller übertragen werden kann, die von der Markteinführung dieser Technologien profitieren. Eine solche Regelung soll die Hersteller dazu veranlassen, sicherere Lösungen zu entwickeln, die das Risiko von Schadensersatzzahlungen minimieren.
Grundlage für die Anwendung der Vorschriften über die Haftung für gefährliche Produkte ist die Feststellung, ob autonome Fahrzeuge als solche Produkte angesehen werden können. Ein Produkt gilt als gefährlich, wenn es bei normaler Verwendung nicht das erwartete Sicherheitsniveau gewährleistet. Im Falle von autonomen Fahrzeugen befreit die fortschrittliche Technologie sie nicht von diesem Kriterium. Im Gegenteil, die komplexe Konstruktion dieser Fahrzeuge spricht für eine strenge Haftungsregelung.
Auch wenn die derzeitigen Vorschriften gewisse Mängel aufweisen, die durch die neuen Regelungen teilweise beseitigt werden, könnte die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers in Verbindung mit zusätzlichen Lösungen wie einer obligatorischen Haftpflichtversicherung ein wirksames Mittel zur Entschädigung für Schäden sein, die durch moderne Technologien verursacht werden.
Der Betreiber eines KI-Systems – ein neuer Verantwortlicher?
In der Entschließung des Europäischen Parlaments von 2020 zur zivilrechtlichen Haftung für künstliche Intelligenz wird das Konzept der Einführung einer neuen Kategorie von Verantwortlichen – des Betreibers eines KI-Systems – vorgestellt.
Der Betreiber, der das KI-System verwaltet – sei es auf der Front-End- oder Back-End-Seite – könnte nach dem Grundsatz der Gefährdungshaftung für alle Schäden haften, die durch physische oder virtuelle Handlungen eines hochriskanten KI-Systems sowie von Geräten und Prozessen, die dieses System nutzen, verursacht werden – also mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von autonomen Fahrzeugen. Für Schäden, die durch andere Systeme verursacht werden, würde der Betreiber hingegen nach dem Verschuldensprinzip haften, wobei sich eine Haftungsausklammerung mit der Begründung, dass der Schaden durch das autonome Handeln des Systems entstanden sei, nicht geltend machen ließe.
Dies eröffnet die Möglichkeit, eine neue, flexiblere Haftungskategorie zu schaffen, die sowohl Nutzer als auch Betreiber von KI-Systemen umfassen könnte.
Allerdings fehlt noch eine genaue Definition des Begriffs „Betreiber”, und der Umfang seiner Pflichten ist weiterhin umstritten – soll er die laufende Kontrolle über den Algorithmus des integrierten Fahrzeugverkehrs ausüben oder wird er einem bestimmten Gerät als eine Art individueller „Betreuer” zugewiesen?
Es gibt auch Ideen zur Schaffung eines Entschädigungsfonds oder zur Einführung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für diese Gruppe. Ein solcher Fonds könnte von Fahrzeugherstellern, Fahrzeugnutzern und Carsharing-Unternehmen finanziert werden, doch die Frage seiner genauen Funktionsweise ist derzeit noch Gegenstand eher abstrakter Überlegungen.
Notwendigkeit gesetzlicher Änderungen – die Zukunft der Rechtsvorschriften
Autonome Fahrzeuge sind als risikoreiche Technologien ein neuer Ansatz in der Gesetzgebung erforderlich. Experten weisen auf folgende Notwendigkeiten hin:
- Anpassung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches an die Realitäten des autonomen Verkehrs;
- Schaffung einer präzisen Definition des Begriffs „Betreiber eines KI-Systems”;
- Erweiterung des Katalogs der verantwortlichen Stellen;
- Entwicklung eines Systems der obligatorischen Haftpflichtversicherung für autonome Fahrzeuge und die an ihrem Betrieb beteiligten Stellen;
- Prüfung der Einrichtung eines Entschädigungsfonds.
Zusammenfassung: Haftung für Schäden im Zeitalter des autonomen Verkehrs
Die Frage der Haftung für Schäden, die durch autonome Fahrzeuge verursacht werden, ist ein Problem, für das es noch keine eindeutigen Lösungen gibt. Die derzeitigen Vorschriften halten mit der rasanten technologischen Entwicklung nicht Schritt, insbesondere wenn es um hochautonome Fahrzeuge geht. Die traditionelle Verschuldenshaftung scheint hier nicht ausreichend zu sein, und die Notwendigkeit der Einführung einer objektiven Haftung wird immer deutlicher. Außerdem muss die Rolle der Betreiber dieser Fahrzeuge definiert und ihre möglichen Verpflichtungen präzisiert werden. Wichtig wird auch die Anpassung der Versicherungsvorschriften sein, um eine wirksame Entschädigung für Schäden zu gewährleisten. Dieser gesamte Prozess erfordert flexible Vorschriften, die sowohl den technologischen Wandel als auch den Schutz der Interessen der Geschädigten berücksichtigen sollten.
[1] Polizeipräsidium, Verkehrspolizei, Verkehrsunfälle in Polen im Jahr 2023, https://statystyka.policja.pl/st/ruch-drogowy/76562,wypadki-drogowe-raporty-roczne.html, S. 25.
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